Hochsensibel schwimmen lernen

Gastbeitrag von Maria Schmidt-Deiß

Ich bin Maria, Expertin für Hochsensibilität und Mutter von drei Kindern zwischen 3 und 13 Jahren. Durch mein ältestes Kind bin ich vor vielen Jahren zum Thema Hochsensibilität gekommen. Neben meinem Psychologiestudium habe ich mich in das Thema eingearbeitet und mich irgendwann als Coach für Eltern hochsensibler Kinder und hochsensible Eltern selbstständig gemacht. Inzwischen habe ich zahlreiche Familien hin zu einem gelassenen und friedvollen Umgang in ihrer hochsensiblen Familie begleitet. Dank Manuela darf ich hier heute einen Gastbeitrag zum Schwimmen lernen mit hochsensiblen Kind schreiben.

Was ist Hochsensibilität?

Also springen wir mal direkt ins kalte Wasser und starten mit einer kleinen Expedition ins Reich der Hochsensiblen… Hochsensibilität heißt im Grunde ständige Überreizung. Das liegt daran, dass den hochsensiblen Menschen die Filterfunktion fehlt, wichtige von unwichtigen Reizen zu unterscheiden.

Zusätzlich haben sie einen nachweislich aktiveren Vagusnerv als normal sensible Menschen. Dieser sorgt unter anderem für nervliche Erregung. Summa summarum sind hochsensible Menschen einer ständigen Dauererregung ausgesetzt. Manche Hochsensible sind extrovertiert. Das bedeutet, sie fühlen sich unter Menschen sehr wohl, sind aufgeschlossen und können sogar Energie aus dem Zusammensein mit vielen anderen generieren, die meisten, etwa 75%, sind introvertiert. Das heißt, sie brauchen Rückzug und Ruhe, um Energie zu tanken und brauchen mehr Zeit als andere, um mit Menschen eine innige Beziehung aufzubauen. Es gibt auch verschiedene Arten von Hochsensibilität, was sich insbesondere über die unterschiedlichen Sinneskanäle Hören, Riechen, Sehen und Fühlen, aber auch eine tiefere kognitive Verarbeitung äußert. Und hier kommen wir dem Thema Schwimmen lernen näher…

Schwimmen lernen und hochsensible Kinder

Mein (extrovertierter) Sohn hat mit 5 Jahren einen herkömmlichen Schwimmkurs besucht. Was er daran großartig fand, waren die Süßigkeiten, die sie nach dem Kurs von den Lehrern bekommen haben. Ansonsten wollte er nicht hingehen. Die Erklärungen waren ihm zu schnell. Der Vergleich mit anderen hat seinen Selbstwert geschwächt und ich durfte nicht dabei sein, sondern musste hinter einer Glaswand sitzen und zuschauen. Er hat schwimmen gelernt, weil er Wasser schon immer liebte und fälschlicherweise angenommen hat, der Lehrer hätte gesagt, sie sollten eine Bahn schwimmen. Das hat er brav gemacht und zum Glück hat es geklappt…

Ein mir bekanntes Mädchen hat 3x einen Schwimmkurs besucht. Sie wollte so gern schwimmen lernen, aber nach jedem Kurs hatte sie noch mehr Angst, überhaupt ins Wasser zu gehen. Sie ist heute 15 Jahre und schwimmt nur ungern…

Ein weiteres hochsensibles Kind hat sich geweigert, ins Wasser zu gehen. Die Schwimmlehrer haben versucht es zu motivieren, indem sie Sätze sagten wie „du bist doch schon groß“, oder „alle anderen Kinder schaffen das doch auch.” Was das für den Selbstwert des Kindes bedeutete, muss ich nicht erklären. Die Schwimmlehrer haben den Eltern unmissverständlich erklärt, dass ihr Kind bockig und unreif sei und daher besser zu einem anderen Zeitpunkt einen Schwimmkurs machen sollte…

Die obigen Beispiele sollen aufzeigen, welche Problematiken für hochsensible Kinder entstehen können, wenn die Wahl der Methode zum Schwimmen lernen nicht durchdacht und dem Kind nicht angepasst wird. 

Besonderheiten von hochsensiblen Kindern

Hochsensible Kinder empfinden das Element Wasser durch ihre haptische Sensibilität oftmals als unangenehm, zu kalt, zu nass, etc. . Sie brauchen viele Informationen, um die Dinge umfassend erörtern und analysieren zu können. Das zeigt die kognitiven Verarbeitungstiefe und braucht in der Regel einfach etwas mehr Zeit. Durch ihren häufig etwas geschwächten Selbstwert (darüber ließe sich ein eigener Artikel schreiben) ist der Druck des Vergleiches Gift für sie. 

Zusätzlich ist ein Schwimmbad per se eine große Herausforderung, da Gerüche, Lautstärke und visuelle Reize schon nach sehr kurzer Zeit zu einer starken Überreizung führen können.

Ein ganz essentieller Punkt ist jedoch das Bedürfnis nach Sicherheit. Durch ihre oben beschriebene Konstitution befinden sich hochsensible Kinder grundsätzlich in einer unsicheren Umgebung und sind quasi dauerhaft damit beschäftigt, ihre Umgebung zu analysieren und zu sichern. Ein herkömmlicher Schwimmkurs bietet so viele Quellen der Unsicherheit (neue Menschen, Vorgaben die zu befolgen sind, Trennung von den Bindungspersonen, eventuell zu schnelle Erklärungen, das Element Wasser, …), dass es für ein hochsensibles Kind gegebenenfalls jegliche Motivation zum Schwimmen lernen und, schlimmer noch, die Freude am Element Wasser unterbindet.

Heißt das, dass jetzt hochsensible Kinder keine oder schlechte Schwimmer werden?

Natürlich nicht! Im Gegenteil! Für viele hochsensible Kinder kann Wasser zu genau ihrem Element werden. Wasser beruhigt und lässt uns leicht fühlen. Wasser trägt uns. Und wenn wir uns im Wasser wohl fühlen, ist es im wahrsten Sinne des Wortes eine Quelle von Freude und Glücksmomenten.

Wie soll das jetzt aber gehen? 

So wie alles mit hochsensiblen Kindern irgendwann geht: mit Zeit, Geduld und Kreativität

Indem wir obige Fehler vermeiden und uns Gedanken machen, was für unser Kind der richtige Weg ist. Grundsätzlich macht es Sinn spielerisch und ganz früh damit zu beginnen. Wir dürfen unseren Kindern von Beginn an zeigen, dass Wasser nicht gefährlich, sondern wundervoll ist (selbstredend ohne den Sicherheitsaspekt aus erwachsener Sicht zu vernachlässigen). In der Badewanne spielen, in Bächen planschen, im Sommer Gelegenheiten suchen, die Kinder mit dem Wasser vertraut zu machen, Wasserspielplätze nutzen. Wenn Kinder sich im Wasser wohl und sicher fühlen, wollen sie schwimmen lernen! Und das muss nicht durch einen Kurs geleistet werden. Warum dem Kind nicht selbst schwimmen beibringen? Klar ist es eine Zeitfrage, aber hier dürfen wir schauen, wie sinnvoll diese Zeit genutzt ist. Wir verbinden das Nützliche (schwimmen lernen) mit dem Schönen (echte Bindung zu meinem Kind leben) und bekommen gleichzeitig auch noch Bewegung und Spaß. Idealerweise wäre ein See oder ein kleines überschaubares Schwimmbad. Vielleicht ein Pool im eigenen Grundstück oder bei Freunden. Der richtige Ort, um zusätzliche Reize zu vermeiden. 

Die Grundvoraussetzung ist, dass wir unser Kind in seiner Besonderheit annehmen und versuchen, für und mit ihm Lösungen zu finden, die genau für uns passen. Das darf auch gerne abseits vom Mainstream und „das macht man aber so“ sein.

Danke

Ich danke Maria für ihre Zeit und ihre Worte. Dies ist ein Thema welches mir sehr am Herzen liegt. Mein letzter Instagram-Beitrag hatte den Titel: Wir können einem Kind nicht helfen, wenn wir nicht wissen was ist. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es immer mehr Menschen gibt, wie Maria. Die es sich zur Herzens Aufgabe machen, ihre Erfahrungen mit anderen Menschen zu teilen. Sie teilen ihr Wissen zum Thema Hochsensibilität: Klären auf und helfen diesen Kindern und Familien einen besseren gemeinsamen Weg durch das Leben zu finden. Unterstützung und Gleichgesinnte sind so wertvoll. Ich begleite in meiner Online Schwimmschule Eltern, deren Kinder einfach andere Wege brauchen. Ich liebe es täglich zu sehen, wie diese Kinder und auch die Eltern aufblühen. Schwimmen lernen darf eine tolle und vor allem stärkende Erfahrung sein. Ich liebe es, Potenziale sichtbar zu machen. 

Du findest Maria hier:

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